Leave your ego at the door
Hier stehe ich nun also. Mit einer einfachen Holzstange vor meinen Füßen. Richtig gelesen, wirklich eine simple, weiß lackiere Holzstange. ‚Gewichtheben für Profis.‘
Hätte man mir diese Tatsache vor 6 Monaten vor Augen geführt, hätte ich wahrscheinlich ironisch geschnaubt.
„Ich – ich bin fit. Ich trainiere nicht mit Holzstangen“, hätte ich wahrscheinlich entgegengebracht.
Und doch, hier stehe ich nun: und war selten stolzer auf mich.
Aber eins nach dem anderen.
Mein Name ist Anna, ich bin 25 Jahre alt und nebenberuflich Fitnesstrainerin.
Seit meinem 16 Lebensjahr liebe und lebe ich das Krafttraining. Seitdem ich 18 bin trainiere ich funktional. Und das wirklich relativ ambitioniert. Ich habe viel ausprobiert, viel gelesen, in Instagram sämtliche crossfit-hashtags durchforstet und war sogar schon auf einigen Crossfit Wettkämpfen – als Zuschauerin natürlich. ;)
In einer Box trainieren konnte ich nie – entweder gab es schlicht keine Möglichkeit in dem absolut ländlichen Umfeld in dem ich aufgewachsen bin, oder der kleine Geldbeutel hat es als Studentin einfach nicht hergegeben.
Aber endlich – mit meinem ersten richtigen Job, dem Umzug nach Wiesbaden und CROSSFIT WIESBADEN sollte meine „Crossfit-Karriere“ nun beginnen.
Pustekuchen.
BASICS, hieß es.
„Brauch ich nicht“ – argumentierte ich. Schließlich habe ich über 6 Jahre Kurse wie HIIT und Co gegeben, bin auf einem guten Fitnesslevel. „Brauchst du“ – weißt mich Emu schmunzelnd in die Schranken…
Nun gut, von ‚let the games begin‘ dann also doch zurück zu ‚let the basics begin‘.
Und so rückte ich also an um alle Übungen im Kern zu erlernen. Mit viel Ehrgeiz und ein bisschen Wettkampfgeist – dieser sollte definitiv nicht abgeschrieben werden, die richtige Essenz Kampfgeist ist beim Crossfit sicherlich förderlich – verstand ich eine Sache schnell: Egal wie viele Jahre ich schon mit hohem Leistungstempo trainiert hatte, das hier war anders. Effizienter, professioneller und tief gecoacht.
Im nu waren die Basics vorüber – der wirkliche Crossfit Spaß konnte beginnen.
Der erste Hut, den ich lernte vor der Box abzulegen, war der meines Sportler-Stolzes. Mit der langsam steigenden Akzeptanz Anweisungen von den Coaches anzunehmen, passierte Folgendes: mein Gewicht auf der Barbell wurde nicht schwerer, sondern leichter.
Ich erkannte schnell, dass meine Leistung sich nicht durch zusätzliches Gewicht verbessern würde, sondern dass die besondere Crossfit-Technik jetzt der wortwörtliche ‚Core‘ zum Erfolg ist.
In den letzten 6 Monaten hieß es immer wieder Sign up to class in Wodify und damit: modifizieren, optimieren, trainieren.
Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich eines verinnerlicht: die eindrucksvollste Kraft kann nur mit der richtigen Technik zum Ausdruck gebracht werden. Und noch kein Meister ist von Himmel gefallen – keine Annie Thorisdottir, kein Adrian Mundwiler. To unload the bar ist kein Ausdruck von Schwäche, es ist das Fundament zu beeindruckender Stärke – physisch und mental.
Natürlich fällt das manchmal schwer. An manchen Tagen hat man das gleiche Workout schneller und schwerer abgelegt, hatte höhere Erwartungen an sich selbst, knüpft seinen Selbstwert zu sehr an seine Performance, die Leistung anderer Teammitglieder ist unschlagbar… Sky is the limit. Aber wenn man wirklich athletisch denkt, dann gehört „Drop the bar!“ eben genauso zur Trainingslaufbahn wie die kleinen & großen Erfolge. Der Körper ist kein Mittel zum Zweck, er ist der Ausdruck einer Vielzahl von schwankenden Faktoren. Ihm gebührt Respekt und Wohlwollen. Aber das ist wohl ein anderes Kapitel J
Hier stehe ich nun also, lächelnd, vor meiner Holzstange.
Das nächste Mal wird es wieder eine gut beladene Eisenstange sein, das weiß ich genau. Und dann, dann wird sie wieder ein klein bisschen schneller und ein klein bisschen höher fliegen.
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Anna